Um eine Inbetriebnahme organisieren zu können, braucht man einen Ablaufplan – Teil 1
Immer wieder stoßen wir auf Projekte, die einen Terminplan haben, bei dem es heißt: „Ja, da haben wir was, aber das wurde schon lange nicht mehr aktualisiert.“ Ist man dann vor Ort, weiß man warum – die Flächen sind malerisch fast fertig und in der Lüftungszentrale sieht es eher aus wie in einem Lüftungslager. Überall stehen Kanäle, der Schaltschrank ist da, aber noch nicht angeschlossen, Kabel und Trassen fehlen gänzlich … Es zeigt sich auf den ersten Blick, wenn man mit den Betroffenen spricht, dass in den Technikzentralen schon lang keiner mehr auf der Baustelle war. Im Terminplan und in den Besprechungen wurde alles für gut befunden und dann holt einen die Wirklichkeit ein.
„Ein Terminplan ist in dem Moment meist veraltet, in dem er fertig ist.“ Das ist ein altes Sprichwort was für die meisten Bauprojekte stimmt. Da eine Inbetriebnahme sehr schnell und kurzfristig an die Gegebenheiten angepasst werden muss, braucht es einen strukturierten Ablaufplan. Dafür ist es notwendig, die Inbetriebnahme im ersten Schritt in logische Phasen zu unterteilen:
IBN-Phase 1: bauliche Fertigstellung/Komponententest
In der Inbetriebnahmephase 1 ist die komplette bauliche Fertigstellung jedes einzelnen Gewerks sowie der Komponententest, auch bekannt als 1:1 Test oder Datenpunkttest, für alle Komponenten durchzuführen. Dabei sind die Komponenten auf ihre richtige Zuordnung entsprechend 1:1 zu testen – und zwar vom Feldgerät durchgängig bis zur Leittechnik. Mit den Zuordnungen sind die durchgängigen Kennzeichnungen in den Dokumentationen und, wenn vorhanden, den verbundenen Systemen und der vor-Ort-Beschriftungen zu verifizieren.
Die Fachbauüberwachung hat diese Komponententests zu überwachen und entsprechende Protokolle stichprobenartig zu prüfen. Weiterhin sind von der Fachbauüberwachung alle Anlagen einer Sichtprüfung zu unterziehen und die Bauausführung frei von Sichtmängel zu überprüfen. Diese Inbetriebnahmephase endet mit dem Meilenstein der vollständigen Staubfreiheit des Gebäudes als Vorleistung für die darauffolgenden Inbetriebnahmephasen.
IBN-Phase 2: Gewerkeinterne Inbetriebnahme
Phase 2 beinhaltet die selbstständige gewerkeinterne Inbetriebnahme der Auftragnehmer mit allen hierfür notwendigen Tests. Hierbei ist z. B. das Lüftungsgerät zusammen mit Gewerk Gebäudeautomation in Betrieb zu nehmen, die Luftmengen einzuregulieren und dieses vollumfänglich zu dokumentieren. Für die medienführenden Gewerke sind entsprechende Wassermengen einzuregulieren. Die ausführenden Firmen haben dieses selbstständig zu testen und zu dokumentieren.
IBN-Phase 3: Gewerkeinterne Tests
Bei den gewerkeinternen Tests sind von der Fachbauüberwachung des jeweiligen Gewerks die entsprechenden Funktionen gemäß Funktionsbeschreibung der Anlagen zu prüfen. Abweichungen/Mängel sind zu dokumentieren und abzuarbeiten, so dass die Anlagen von einem fehlerfreien in einen anlagenoptimierten Betrieb übergehen. Hier ist dann auch z. B. mittels einer künstlichen Last wie Lufterhitzer die Kühldecke zu testen und die Messergebnisse zu dokumentieren.
IBN-Phase 4: Gewerkeinterne Prüfungen
Nach den vorgegangenen IBN-Phasen sind die Anlagen frei von Sicht- und Funktionsmängeln und können nun dem Sachverständigen zur Prüfung vorgestellt werden, wenn diese nicht schon parallel am Prüfen ist. Diese Prüfungen sind entsprechend zu dokumentieren und in die Unterlagen zur Übergabe der Gesamtdokumentation einzupflegen. Es wird davon ausgegangen, dass die Prüfprotokolle frei von wesentlichen Mängeln sind.
IBN-Phase 5: Gewerkeübergreifende Inbetriebnahme
In dieser IBN-Phase erfolgen die Inbetriebnahmen von Anlagen und Komponenten, welche nur im Zusammenwirken unterschiedlicher Gewerke die bestimmungsgemäße Funktionalität des Anlagenzwecks erfüllen. Die entsprechenden Anlagen werden hierfür zusammengeschaltet. Dies ist beispielsweise der BMA-Koppler (Gewerk BMA) mit den Lüftungsanlagen (Gewerk Lüftung und Gebäudeautomation).
IBN-Phase 6: Gewerkeübergreifende Tests
Die entsprechenden zuvor zusammengeschalteten Anlagen werden im Verbund auf ihre bestimmungsgemäße Funktionalität getestet. Dies ist z. B. von einem Inbetriebnahmemanagement oder von übergeordneten Fachbauüberwachern entsprechend nach dem erstellten Inbetriebnahmekonzept vom Inbetriebnahmemanagement zu organisieren und durchzuführen. Hierbei sind die gewerkeübergreifenden Funktionen des Gebäudes zu testen und zu dokumentieren. Die Tests sind u.a. Szenarien der Brandfallsteuermatrix, Datennetzausfall, Black-Building-Test, kurzer Spannungseinbruch, Lastabwurf, Ausfall Wärme-/Kälteerzeuger, etc. Dies betrifft somit nicht nur die Anlagen nach TPrüfVO, sondern auch die entsprechend betrieblichen Anlagen.
IBN-Phase 7: Gewerkeübergreifende Prüfungen (u.a. WPP)
In den gewerkeübergreifenden Prüfungen werden alle sicherheitsrelevanten Anlagen dem Sachverständigen vorgeführt und von ihm geprüft. Dies betrifft unter anderem die Wirk-Prinzip-Prüfung (WPP), damit die sicherheitsgerichteten Anlagen „betriebssicher und wirksam“ sind. Es wird somit die bestimmungsgemäße Funktionalität des Anlagenzwecks nachgewiesen. Dieser Prüfnachweis ist entsprechend mit der Gebäudedokumentation zu übergeben.
IBN-Phase 8: Probebetrieb
In dieser Inbetriebnahmephase werden die Anlagen einem mindestens 2-wöchigen Probebetrieb unterzogen. Dieser wird mittels Trendauswertungen der Management- und Bedieneinrichtung (MBE) bzw. der ältere Begriff Gebäudeleittechnik (GLT) dokumentiert. Die Trendauswertungen sind mit entsprechendem Vorlauf in der Gebäudedokumentation vor Übergabe des Gebäudes vorzuführen. Diese dienen als Nachweis, dass die Anlagen in einem anlagenoptimierten Betrieb sind. Fehler sind entsprechend zu beseitigen und die Ursachen hierfür zu dokumentieren.
IBN-Phase 9: Schulungen/Einweisungen
Zur Übergabe des Gebäudes sind die zukünftigen Betreiber des Gebäudes zu schulen bzw. in das Gebäude und in die vorhandene Anlagentechnik einzuweisen. Diese Einweisung ist zu dokumentieren und entsprechend der Gebäudedokumentation hinzuzufügen.
IBN-Phase 10: Vorbegehung zur Abnahme/Abnahme/Dokumentation
Zur Übergabe des Gebäudes wird vom zukünftigen Eigentümer oder auch Mieterentsprechende Vorbegehungen zur Abnahme bzw. Begehungen zur Abnahme durchgeführt. Hierfür ist entsprechendes Personal zu koordinieren und vorzuhalten. Zwingend notwendig für die Kostengruppen 400 ist Personal, das technisch vollumfängliche Auskünfte zu den Themen:
- HLK-Gewerke (z. B. Heizung, Kälte, Lüftung, Sanitär/Medien, Sprinkler, Entrauchung usw.)
- ELT-Gewerke (z. B. Starkstrom, Brandmeldeanlagen, Schwachstrom, Daten-/Netzwerktechnik)
- Gebäudeautomation mit lesendem Zugriff auf die MBE/GLT (Gebäudeleittechnik); hier im speziellen: Visualisierung, Trends, Logs, Alarme.
Die Inbetriebnahme ist ein komplexer Ablauf. Um sich vor unschönen Überraschungen zu schützen, sollte diese professionell geplant und durchgeführt werden. Gerne können wir dazu einmal sprechen.
Mehr zu diesen und anderen Themen finden Sie auf www.potz-gebaeudeautomation.de.
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